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Urteil des LG Essen vom 26.07.2024 zur Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenregelung in Franchiseverträgen

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Hof­mann Voßen Rechts­an­wäl­te ver­tre­ten Man­dan­ten erfolg­reich vor dem LG Essen (Az.: 41 O 8/24; nicht rechts­kräf­tig) gegen eine Wider­kla­ge auf Zah­lung von Ver­trags­stra­fen in Höhe von 130.000,00 € wegen der ver­meint­li­chen Bege­hung von ver­schie­de­nen Ver­trags­ver­let­zun­gen unse­res Man­dan­ten, sowie im Rah­men einer nega­ti­ven Fest­stel­lungs­kla­ge bezüg­lich des Nicht­be­stehens wei­te­rer Ver­trags­stra­fen­an­sprü­che gegen unse­ren Man­dan­ten in Höhe von 45.000,00 €

Das Ver­fah­ren gab dem LG Essen die Mög­lich­keit, inhalt­lich zu den ver­trag­li­chen Rege­lun­gen eines Fran­chise­ver­tra­ges einer Fran­chise­ge­be­rin im Bereich der sog. „24-Stun­den-Betreu­ung“ Stel­lung zu neh­men. Das Urteil ist aus unse­rer Sicht ins­be­son­de­re des­halb bedeut­sam, da die Fran­chise­ge­be­rin gleich­lau­ten­de bzw. jeden­falls sehr ähn­li­che Fran­chise­ver­trä­ge mit einer Viel­zahl von Fran­chise­neh­mern abge­schlos­sen hat. Inso­fern dürf­te die jet­zi­ge Ent­schei­dung des LG Essen auch über den Ein­zel­fall hin­aus Bedeu­tung für die ande­ren Fran­chise­ver­trä­ge und Fran­chise­neh­mer haben.

Zur Vor­ge­schich­te des Urteils:

Im Rah­men bzw. im Nach­gang zu den gegen­sei­ti­gen Kün­di­gun­gen des Fran­chise­ver­tra­ges durch unse­ren Man­dan­ten als ehe­ma­li­gen Fran­chise­neh­mer und der Fran­chise­ge­be­rin Ende 2017, ver­häng­te die Fran­chise­ge­be­rin gegen­über unse­rem Man­dan­ten in meh­re­ren Schrei­ben ins­ge­samt Ver­trags­stra­fen in Höhe von ins­ge­samt 180.000,00 €. Die ver­häng­ten Ver­trags­stra­fen wur­den auf meh­re­re – angeb­li­che – Ver­trags­ver­let­zun­gen unse­res Man­dan­ten wäh­rend der Ver­trags­lauf­zeit bzw. nach Been­di­gung der Fran­chise­ver­trä­ge durch die aus­ge­spro­che­nen außer­or­dent­li­chen Kün­di­gun­gen gestützt.

Sei­tens unse­rer Kanz­lei wur­den die Ver­trags­stra­fen stets mit der Begrün­dung zurück­ge­wie­sen, dass die ent­spre­chen­de ver­trag­li­che Rege­lung unwirk­sam ist und auch ent­spre­chen­de Ver­stö­ße unse­res Man­dan­ten gegen ver­trag­li­che Bestim­mun­gen nicht vorliegen.

Das Urteil des LG Essen vom 26.07.2024:

Nach Ansicht des Gerichts ist die Ver­trags­stra­fen­re­ge­lung des in die­sem Gerichts­ver­fah­ren streit­ge­gen­ständ­li­chen Fran­chise­ver­tra­ges (§ 21.1 und 21.2 des Fran­chise­ver­tra­ges) unwirk­sam. Die ent­spre­chen­den Rege­lun­gen sind nach Ansicht des Gerichts gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB intrans­pa­rent und benach­tei­li­gen den Klä­ger, also den ehe­ma­li­gen Fran­chise­neh­mer, daher unan­ge­mes­sen. Das Gericht bestä­tigt inso­weit die von uns bereits seit Jah­ren ver­tre­te­ne Rechtsauffassung.

Dies begrün­det das Gericht ins­be­son­de­re damit, dass die ver­trag­li­chen Rege­lun­gen unter § 21.2 bezüg­lich der dort ange­ge­be­nen Richt­wer­te („Richt­schnur“) für die ver­schie­de­nen Ver­stö­ße kei­ne aus­rei­chen­de Anknüp­fungs­grund­la­ge ent­hal­ten. Es blei­be ins­be­son­de­re offen, an wel­chen kon­kre­ten und in wel­cher Wei­se gewich­te­ten Ver­stoß die jeweils ange­führ­te Richt­schnur anknüp­fe. Der Ver­trag reg­le ins­be­son­de­re nicht, dass die Richt­schnur einen durch­schnitt­li­chen Ver­stoß mei­ne. Selbst wenn dies ange­nom­men wür­de, wäre die Rege­lung den­noch intrans­pa­rent, weil ein durch­schnitt­li­cher Ver­stoß nicht defi­niert wer­de. Dies eröff­ne letzt­end­lich die Mög­lich­keit, für jeg­li­chen Ver­stoß eine Ver­trags­stra­fe in Höhe der Richt­schnur fest­zu­set­zen. Des­halb sei die „Richt­schnur“ nicht trans­pa­rent gere­gelt und benach­tei­li­ge den Ver­trags­part­ner unan­ge­mes­sen. Auf­grund des untrenn­ba­ren Zusam­men­hangs der Rege­lung in § 21.1 und 21.2 sei die Rege­lung zur Ver­trags­stra­fe inso­weit ins­ge­samt unwirksam.

Das Urteil ist zwar nicht rechts­kräf­tig, da mitt­ler­wei­le sowohl der Klä­ger als auch die Beklag­te zu 1) gegen das Urteil Beru­fung ein­ge­legt haben, wir sind aber zuver­sicht­lich, dass die Ent­schei­dung des LG Essen bezüg­lich der Unwirk­sam­keit der Ver­trags­stra­fen­re­ge­lung auch in der Beru­fungs­in­stanz Bestand haben wird.

Soll­te das Urteil hin­sicht­lich der Unwirk­sam­keit der Ver­trags­stra­fen­re­ge­lung auch in der Beru­fungs­in­stanz Bestand haben, so dürf­ten sämt­li­che durch die Fran­chise­ge­be­rin auf Grund­la­ge der streit­ge­gen­ständ­li­chen Ver­trags­stra­fen­re­ge­lung ver­häng­ten Ver­trags­stra­fen unwirk­sam gewe­sen sein. Dies dürf­te aus unse­rer Sicht eben­falls für ver­häng­te Ver­trags­stra­fen auf Grund­la­ge von gleich­lau­ten­den oder sehr ähn­lich for­mu­lier­ten Ver­trags­stra­fen­re­ge­lun­gen in ande­ren Fran­chise­ver­trä­gen gel­ten. Sofern durch ande­re (ehe­ma­li­ge) Fran­chise­neh­mer Ver­trags­stra­fen geleis­tet wur­den und ent­spre­chen­de Rück­for­de­rungs­an­sprü­che noch nicht ver­jährt wären, dürf­ten die Zah­lun­gen wohl von der Fran­chise­ge­be­rin zurück­ge­for­dert wer­den können.