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Urteil des OLG Stuttgart vom 28.07.2022 zum Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG)

Hof­mann Voßen Rechts­an­wäl­te ver­tre­ten Man­dan­ten erfolg­reich vor dem OLG Stutt­gart gegen die von einem Unter­neh­men erho­be­ne Aus­kunfts­kla­ge nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 des Geset­zes zum Schutz von Geschäfts­ge­heim­nis­sen (GeschGehG)

Die­ses Ver­fah­ren gab dem 2. Zivil­se­nat des OLG Stutt­gart als Beru­fungs­ge­richt, wel­cher nach der Geschäfts­ver­tei­lung eine Spe­zi­al­zu­stän­dig­keit für Ver­fah­ren betref­fend das GeschGehG inne­hat, die Mög­lich­keit, zu eini­gen wesent­li­chen Fra­gen hin­sicht­lich des am 26.04.2019 in Kraft getre­te­nen GeschGehG Stel­lung zu neh­men. Damit ist das in die­ser Sache ergan­ge­ne Beru­fungs­ur­teil vom 28.07.2022 (Az.: 2 U 191/21) auch all­ge­mein bedeut­sam für die Rechts­an­wen­dung und Aus­le­gung die­ses noch jun­gen, aber in der Unter­neh­mens­pra­xis äußerst rele­van­ten Geset­zes, zu dem bis­lang nur wenig Recht­spre­chung, ins­be­son­de­re von Ober­lan­des­ge­rich­ten, und Lite­ra­tur existiert.

Zur Vor­ge­schich­te des Urteils:

Unser Man­dant hat­te in einem Zivil­rechts­streit vor einem deut­schen Land­ge­richt eine Prä­sen­ta­ti­on der hie­si­gen Klä­ge­rin über eine Sit­zung ihres Bei­rats vor­ge­legt, durch wel­che die in jenem Ver­fah­ren mög­li­cher­wei­se ent­schei­dungs­er­heb­li­che Kennt­nis von Organ­mit­glie­dern der Klä­ge­rin über bestimm­te Tat­sa­chen nach­ge­wie­sen wer­den sollte.

Die hie­si­ge Klä­ge­rin mach­te einen Aus­kunfts­an­spruch auf Grund­la­ge des GeschGehG gel­tend, um zu erfah­ren, von wem der Man­dant die Prä­sen­ta­ti­on erlangt hat­te, und erhob Aus­kunfts­kla­ge gegen unse­ren Mandanten.

Bereits in I. Instanz schei­ter­te die Kla­ge gegen unse­ren Man­dan­ten. Das Aus­gangs­ge­richt (LG) ließ zwar offen, ob die streit­ge­gen­ständ­li­che Prä­sen­ta­ti­on ein Geschäfts­ge­heim­nis im Sin­ne des GeschGehG dar­stell­te, ließ einen mög­li­chen Anspruch aber jeden­falls auf­grund Unver­hält­nis­mä­ßig­keit des Aus­kunfts­ver­lan­gens (§ 9 GeschGehG) schei­tern. Das Land­ge­richt berief sich zutref­fend ins­be­son­de­re auf die Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zum pro­zes­sua­len Grund­recht auf effek­ti­ven Rechts­schutz (auch) in Zivil­ver­fah­ren (BVerfG [2. Kam­mer des Zwei­ten SENATS], Beschl. v. 23.06.1990 – 2 BvR 674/88).

Das Beru­fungs­ur­teil des OLG Stutt­gart vom 28.07.2022:

Nach anschlie­ßen­der Beru­fung der Klä­ge­rin griff der 2. Zivil­se­nat des OLG Stutt­gart, der bereits eine maß­geb­li­che Ent­schei­dung zum neu­en GeschGehG gefällt hat­te (Urt. v. 19.11.2020 – 2 U 575/13), unse­re Argu­men­ta­ti­ons­li­nie im Rah­men der Rechts­ver­tei­di­gung unse­res Man­dan­ten auf und lehn­te bereits die Qua­li­fi­ka­ti­on der streit­ge­gen­ständ­li­chen Prä­sen­ta­ti­on als „Geschäfts­ge­heim­nis“ i.S.d. § 2 Nr. 1 GeschGehG ab. Somit war bereits ein Aus­kunfts­an­spruch der Klä­ge­rin aus­ge­schlos­sen. Ent­schei­dend hier­für war, dass die Klä­ge­rin kei­ne ange­mes­se­nen Geheim­hal­tungs­maß­nah­men für die streit­ge­gen­ständ­li­che Prä­sen­ta­ti­on getrof­fen hat­te, sodass das Tat­be­stands­merk­mal eines Geschäfts­ge­heim­nis­ses i.S.d. GeschGehG nicht erfüllt war. Wei­ter­hin stell­te das Gericht im Urteil fest, dass, selbst bei Unter­stel­lung des Vor­lie­gens eines Geschäfts­ge­heim­nis­ses, der beklag­te Man­dant jeden­falls kein „Rechts­ver­let­zer“ im Sin­ne des § 2 Nr. 3 GeschGehG sei, da von der Klä­ge­rin nicht nach­ge­wie­sen wer­den konn­te, dass die „Quel­le“ (ggf. ein „Whist­le­b­lower“) durch eine etwa­ige Wei­ter­ga­be der Prä­sen­ta­ti­on gegen ihre eige­nen Pflich­ten ver­sto­ßen habe. Auch hier­an wäre ein Aus­kunfts­an­spruch geschei­tert. Auf die Fra­ge, ob die Erfül­lung des Aus­kunfts­an­spruchs, wenn er bestün­de, gem. § 9 GeschGehG unver­hält­nis­mä­ßig gewe­sen wäre, kam es in dem Beru­fungs­ver­fah­ren damit nicht ein­mal mehr an.

Aus unse­rer Sicht ist mit die­sem Beru­fungs­ur­teil des OLG Stutt­gart der ver­fas­sungs­recht­lich gesi­cher­te Anspruch jedes ein­zel­nen Bür­gers auf effek­ti­ven Rechts­schutz im Zusam­men­hang mit dem GeschGehG erheb­lich gestärkt wor­den. Das GeschGehG darf nicht dazu füh­ren, dass unter Beru­fung hier­auf einem Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten effek­ti­ver Rechts­schutz ver­wehrt wür­de. Die Ver­pflich­tung des Staats, dem Bür­ger die Mög­lich­keit zur Ver­tei­di­gung sei­ner Rechts­po­si­ti­on ohne das Erlei­den von Nach­tei­len zu geben, folgt bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip.

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