Urteil des AG München vom 06.07.2022 zur Rechtmäßigkeit einer durchgeführten Mitgliederversammlung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts unter „Corona-Bedingungen“

Hofmann Voßen Rechtsanwälte vertreten Mandantin erfolgreich vor dem AG München (Az. 261 C 17642/21) gegen eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit einer Mitgliederversammlung wegen des Ausschlusses eines Mitglieds vom passiven Wahlrecht und der Durchführung der Versammlung als „Rumpf-Präsenzveranstaltung mit gleichzeitiger Online-Übertragung“ unter Corona-Bedingungen

Das Verfahren gab dem AG München die Möglichkeit, einige Fragen bezüglich der Rechtmäßigkeit einer Durchführung einer Mitgliederversammlung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in Zeiten der Corona-Pandemie zu klären. Das Urteil ist hier insbesondere deshalb bedeutsam, da das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG) wohl auf öffentlich-rechtliche Körperschaften nicht anwendbar ist (so OLG Nürnberg, Beschluss vom 15.03.2021, Az.: 12 W 488/21), weshalb die hier geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen weitestgehend noch ungeklärt sind.

Zur Vorgeschichte des Urteils:

Unsere Mandantin hatte im Juli 2021 eine Mitgliederversammlung inklusive Wahlen zum Vorstand und Haushaltsausschuss durchgeführt. Aufgrund der Corona-Pandemie war hierbei die Teilnahme an der Mitgliederversammlung in Präsenz nur für eine gewisse Personenanzahl möglich. Darüber hinaus wurde die Mitgliederversammlung online übertragen. Um allen Mitgliedern eine Stimmabgabe für die Wahlen zum Vorstand und Haushaltsausschuss zu ermöglichen, wurden die entsprechenden Wahlen an einem gesonderten Termin durchgeführt. Hierfür wurden vier Wahllokale eingerichtet. Die Wahl selbst erfolgte als Urnenwahl, analog zu den Wahlen bei einer Landtags- oder Bundestagswahl.

Im hiesigen Verfahren, welches zunächst vor dem BayVG München geführt wurde, wurde zudem die Frage geklärt, ob für Maßnahmen der „internen Organisation“ einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft der Verwaltungs- oder der Zivilrechtsweg eröffnet ist. Diese Frage hatte bereits in der Vergangenheit mehrfach die Gerichte beschäftigt. Das BayVG München hat hierzu in seinem Beschluss vom 12.10.2021 (Az.: M 7 K 21.5105) festgehalten, dass für die Rechtswegfrage nicht allein die Rechtsform als öffentlich-rechtliche Körperschaft maßgebend sei, sondern vielmehr, ob hier interne Organisationsmaßnahmen, die der verbandsautonomen Gestaltung unterliegen, betroffen sind. Ist dies der Fall, ist der Verwaltungsrechtsweg unzulässig.

Das Urteil des AG München vom 06.07.2022:

Das Gericht stellte zur gewählten Art der Durchführung der Mitgliederversammlung fest, dass diese zwar in der Satzung und Wahlordnung unserer Mandantin so nicht vorgesehen war, eine Verfälschung der Wahlen hierdurch jedoch ausgeschlossen werden könne. Insbesondere würden nach Überzeugung des Gerichts durch die Vorgehensweise der Durchführung als Präsenzveranstaltung mit Online-Teilnahmemöglichkeit Mitglieder nicht in der Ausübung ihrer Mitwirkungsrechte beschnitten. Vielmehr hatten die Mitglieder damit die Möglichkeit, entweder in Präsenz teilzunehmen oder aus Gründen des Eigen- bzw. Drittschutzes online an der Mitgliederversammlung teilzunehmen.

Des Weiteren verletze auch die Durchführung von separaten Wahlen in Form von Urnenwahlen, welche nicht in der Mitgliederversammlung selbst stattfinden, nicht die Mitwirkungsrechte eines objektiv urteilenden Verbandsmitgliedes. Vielmehr sei dieses Vorgehen in Zeiten der Corona-Pandemie nachvollziehbar. Auch sei hierdurch gewährleistet gewesen, dass eine Stimmabgabe und eine Teilnahme an der Versammlung allen Mitgliedern offenstand.

Aus unserer Sicht trägt dieses, mittlerweile rechtskräftige, Urteil maßgeblich dazu bei, den rechtlichen Rahmen der Durchführung von Mitgliederversammlungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften während der Corona-Pandemie klarer zu fassen. Das Urteil hat damit erhebliche Bedeutung auch für zukünftige Mitgliederversammlungen, da insbesondere weiterhin keine gesetzliche Regelung für Mitgliederversammlungen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften in Pandemiezeiten vorhanden ist und auch der weitere Verlauf der Pandemie im anstehenden Herbst und Winter noch unklar ist.